Über die Candidate Experience und vor allem die Frage, wie diese idealerweise aussehen sollte, wird viel gesprochen. Tobias Weymans von der Axel Springer SE glaubt, dass Recruiter einen Schritt weitergehen sollten und argumentiert für eine Employee Experience, die nicht mit der Vertragsunterzeichnung endet.
Kandidaten sind Multiplikatoren
Die Personalabteilung, die nicht erreichbar und unnahbar ist, ist Schnee von gestern. Heute agieren wir als Schnittstelle zwischen den Fachabteilungen und den Kandidaten, sind Sparringspartner für die Hiring Manager und für die Bewerber Partner auf Augenhöhe. Dazu gehört auch, dass wir Kandidaten gut durch unsere Bewerbungsprozesse führen, sie verbindlich darüber informieren, wie der gesamte Bewerbungsprozess aussieht und welche Schritte sie als nächstes erwarten. Wer tappt schon gern im Dunklen? Indem wir eng am Kandidaten bleiben, können wir eine Bindung zum Bewerber aufbauen. Das hat drei Vorteile: Erstens, wir können offen und ehrlich miteinander sprechen. Zweitens, wir haben eine größere Chance, dass sich der Kandidat uns ein Stück weit verbunden fühlt und sich gegebenenfalls eher zu unseren Gunsten entscheiden wird. Und drittens gewinnen wir Bewerber durch gute Prozesse als Multiplikatoren für uns – denn wer ein angenehmes und gut strukturiertes Bewerbungsverfahren erlebt, wird hoffentlich von seinen positiven Erfahrungen berichten. Aus meiner Erfahrung ist es essenziell wichtig, authentische Gespräche mit Bewerbern zu führen. Dazu zählt aus meiner Sicht auch ein persönliches Feedback – auch im Falle einer Absage. Zugegeben, nicht immer ist die Angabe von Gründen ganz so einfach, dennoch meine ich, hat es jeder Kandidat verdient, ein Feedback zu erhalten. Interessanterweise habe ich die Erfahrung gemacht, dass auch Kandidaten, mit denen man am Ende nicht zusammengefunden hat, dieses Feedback so sehr schätzen, dass sie uns als Unternehmen in guter Erinnerung behalten und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt gern wieder mit uns ins Gespräch einsteigen oder eher geneigt sind, Freunden, Bekannten oder Kollegen eine Bewerbung bei uns zu empfehlen.
Unterschrift und weiter? Onboarden, kennenlernen, begleiten!
Hat der Kandidat die Fachabteilung überzeugt und konnte auch das Angebot den Kandidaten überzeugen, ist der Job des Recruiters erledigt…oder vielleicht doch nicht? Ich meine, der Job des Recruiters geht noch deutlich über die Vertragsunterschrift hinaus. Manchmal liegen zwischen der Unterschrift und dem tatsächlichen Startdatum im Unternehmen Wochen oder gar Monate. Versetzt man sich in die Lage des zukünftigen Kollegen, kann man sich leicht vorstellen, dass in dieser Zeit auch Fragen oder sogar Zweifel aufkommen können. Außerdem können innerhalb dieser Phase weitere Angebote an ihn oder sie herangetragen werden. Grund genug also, den neuen Kollegen nicht „fallen zu lassen“, sondern weiterhin zu betreuen. Hier haben sich verschiedene Wege sehr bewährt. Zum einen ist es aus meiner Sicht wichtig, den persönlichen Kontakt weiterhin zu halten – beispielsweise durch ein Telefonat hier und da oder ein gemeinsames Mittagessen. Nebenbei hilft die Rückmeldung des Kandidaten auch mir, meine Arbeit zu verbessern oder bringt neue Ideen, die in meine Arbeit einfließen können. Zum anderen versuche ich in dieser Phase, frühzeitig Kontakt zum zukünftigen Team zu ermöglichen. Eine persönliche Willkommens-E-Mail des Teamleiters oder Vorgesetzten kann dafür ein guter Einstieg sein.
Stehen Team-Events oder Projekt-Kick-Offs an, ist es eine gute Idee, neue Kollegen eventuell schon einmal einzuladen. Dies gibt dem Kandidaten das Gefühl der Zusammengehörigkeit, ermöglicht ein Kennenlernen und auch ein erstes, seichtes Onboarding. Da nicht immer Events anstehen, finde ich die Idee einer App hervorragend, die mit regelmäßigen Unternehmensupdates, Videos, Gamifikation-Ansätzen und spezifischen Onboarding-Informationen die Wartezeit bis zum ersten Arbeitstag verkürzt und den Kontakt nicht abreißen lässt. Leider gibt es solche Anwendungen bisher nur vereinzelt. Das mag nach viel Arbeit klingen, aber letztlich haben wir viele standardisierte Prozesse, die uns die Arbeit vereinfachen. Meines Erachtens sollte es dennoch der Anspruch sein, ab dem ersten Gespräch eine solch enge Bindung mit dem Kandidaten aufzubauen und diese dann eben auch angemessen lang zu halten.
Performance im Recruiting ist nicht nur eine Frage des langen Atems
Wie gut die Candidate oder Employee Experience ist, lässt sich selbstverständlich nicht nur an der Enge der Bindung zwischen Recruiter und Kandidat ablesen. Es ist in diesem Zuge aus meiner Sicht unverzichtbar, auch Kennzahlen zu erheben. Dabei halte ich die bloße Frage danach, wie viele Bewerbungen auf eine Stelle eingegangen sind, für viel zu oberflächlich und letztlich überholt. Kennzahlen, die untrennbar mit der Candidate Experience verknüpft sind, sind beispielsweise die Time to Hire, die in Zeiten des schnelllebigen Marktes einfach verkürzt werden muss. Ebenso bedeutsam die Response Rate. Letztlich benötigen wir alle Antworten auf die Frage, welche Kanäle uns den meisten Mehrwert bieten und welche Gründe Kandidaten dafür haben, ihrerseits ein Angebot abzulehnen. War ein Teil unseres Recruiting-Prozesses nicht gut genug? Kam unsere Antwort zu spät oder waren wir bei der Angebotsunterbreitung zu wenig flexibel? Hier können uns Kennzahlen helfen, Muster zu erkennen und uns gezielt zu verbessern. Ich glaube, dass es enorm wichtig ist, dass wir auf beiden Seiten gute Arbeit leisten: Im persönlichen Kontakt zu Bewerbern und Hiring Managern und darin, unsere Hausaufgaben zu machen, unsere Prozesse zu durchleuchten und zu verbessern. Beides zusammen kann dafür sorgen, dass wir es schaffen, eine außergewöhnlich gute Candidate und Employee Experience zu erschaffen.
Tobias Weymans
Tobias Weymans ist Senior Consultant - Human Resources bei der Axel Springer SE in Berlin. Hier verantwortet er das Consulting mit Fokus auf strategische Projekte in HR, Talent Acquisition und Change Management für das internationale Portfolio von Axel Springer. Zuvor hat Tobias Erfahrung als HR Business Partner bei der idealo internet GmbH, einer Tochtergesellschaft von Axel Springer, gesammelt und war in Lodon für verschiedene Beratungen tätig. Als Gründungsmitglied und Vorstand der Purple Squirrel Society, treibt er in seinem Netzwerk innovative HR-Konzepte und Personalarbeit auf Augenhöhe mit Geschäftsführung und Entscheidern voran.
Axel Springer
In der Tradition ihres Gründers, der zu seiner Zeit journalistische und technologische Innovationen vorantrieb, geht die Axel Springer SE neue Wege und bleibt sich dabei doch treu. Das Unternehmen verfolgt mit hohem Tempo das Ziel, ein wachstums- und renditestarkes Digitalportfolio aufzubauen und Journalismus auch in der digitalen Welt als erfolgreiches Geschäftsmodell zu etablieren. Zusammen mit der Transformation der bestehenden starken Medienmarken, eigenen Neuentwicklungen und strategisch ausgerichteten Akquisitionen von Web-Unternehmen ist die Vernetzung mit der Gründergeneration digitaler Start-ups einer der Bausteine der Digitalisierungsstrategie. Mehr als 15.000 Mitarbeiter arbeiten mit großer Leidenschaft am selben Ziel. Axel Springer ist Europas führender Digitalverlag.